Cross-Border-Instant-Payments gehört zu den prägenden Themen der Sibos 2025 in Frankfurt. Michael Steinbach, Präsident des Frankfurt Payments Network (FPN), spricht mit Tobias Dieterich (DPS) über den Stand und die nächsten Schritte: von BIZ Project Nexus und regionalen Interlinking-Initiativen bis zu europäischen Infrastrukturen wie TIPS und dem Zusammenspiel mit SWIFT. Im Fokus stehen die Bedeutung der Standardisierung mit ISO 20022, praktische Interoperabilität über Währungsräume hinweg sowie die Modernisierung gewachsener Legacy-IT für 24/7-Betrieb und Echtzeit-Compliance. Konkrete Empfehlungen zeigen, was Institute jetzt priorisieren sollten.
Herr Steinbach, warum ist „Instant“ heute die neue Normalität – auch grenzüberschreitend?
Wir leben insgesamt „in einer Instant-Welt“. Wie bei einer Suchmaschine oder einer KI: Frage oder Prompt eingeben, sofort Antwort – diese Erwartungshaltung ist heute Standard. Deshalb ist die eigentliche Debatte nicht mehr das „Ob“, sondern das „Wie skalieren wir das verlässlich über Grenzen hinweg?“.
Wo steht Europa – und welche Rolle spielt Regulierung?
Europas Stärke ist der SEPA-Gedanke: gemeinsame Regeln, gemeinsame Standards. Viele Institute haben bereits substanzielle Schritte gemacht – gleichzeitig sorgt Regulierung dafür, dass alle denselben Takt und dieselbe Richtung halten. Sie schafft Planbarkeit, beendet Grundsatzschleifen und beschleunigt Investitionsentscheidungen. Genau das hilft, Instant in der Breite zu heben. Und damit sind wir bei der Frage, wie die öffentliche Hand – insbesondere die EZB – diese Entwicklung organisatorisch und technisch begleitet.
Die Europäische Zentralbank (EZB) treibt TIPS sehr offensiv voran. Chance oder Konflikt – gerade mit Blick auf SWIFT?
Die EZB hat eine Doppelrolle: Aufsicht und zugleich mit TIPS ein aktiver Marktakteur. Ihr Signal lautet: Interoperabilität ermöglichen, damit Institute und PSPs ihre Services darauf aufbauen können. Spannend – auch mit Blick auf die Sibos – ist das Zusammenspiel mit SWIFT und privaten Infrastrukturen: Wo ergänzt man sich, wo gibt es Überschneidungen?
International entstehen Korridore und Interlinkings nationaler/regionaler Echtzeit-Zahlungssysteme. Welche finden Sie wegweisend?
Besonders relevant ist das von der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) bereits vor einigen Jahren gestartete Project „Nexus“ mit dem Ziel des Interlinking von nationalen Realtime-Payment-Systemen aus Ländern in Südost-Asien und Indien, das seit März diesen Jahres mit der Gründung der Nexus Global Payments in seine nächste Phase für die Aufnahme des operativen Betriebs getreten ist.. Hier werden standardisierte Anbindungs- und Ablaufmodelle geschaffen, damit Zahlungen zwischen unterschiedlichen Währungen in Sekunden funktionieren. Parallel sehen wir auch politisch getriebene Dynamiken der G20 Staaten, das unter Federführung des Financial Stability Board (FSB) und mit technischer Unterstützung der BIZ umgesetzt wird oder die von den BRICS-Staaten unter dem Namen BRICS Pay gestartete Initiative. Allen Initiativen liegt der „Connector-Gedanke“ zu Grunde, d.h. das Interlinking nationaler Echtzeit-Zahlungssysteme,
Die G20 haben in dieser Hinsicht sehr ambitionierte Ziele bis 2027 ausgerufen. Wie bewerten Sie das?
Die G20-Agenda – flankiert durch die Arbeit der BIZ – ist für mich das stärkste globale Signal Richtung Echtzeit über Grenzen und Währungen. Ob alle Kennzahlen bis Ende 2027 erreicht werden, bleibt abzuwarten; wichtig ist die Richtung und der gemeinsame Druck, Hindernisse wie FX-Prozesse, 24/7-Liquidität oder Compliance-Prüfungen in Echtzeit zu überwinden.
Über unsere Kanäle erreichen uns regelmäßig Fragen zu DLT-basierten Lösungen – oft ganz konkret zu den Aussichten von privatwirtschaftlichen Anbietern wie Ripple. Können Stablecoins/DLT mittelfristig klassische Intermediäre ersetzen?
Technisch ist das denkbar. Stablecoins erlauben End-to-End-Transfers mit Finalität und anschließendem Rücktausch in die Zielwährung – theoretisch ohne die heute etablierten Intermediäre. Für breite Akzeptanz braucht es aber einen belastbaren Rahmen und das Backing vertrauenswürdiger Institutionen. Ohne Governance und Regulierung bleibt es kleinteilig und riskant. Kurz: „Möglich ist alles, unmöglich ist nichts“ – aber ohne klaren regulatorischen Rahmen wird es nicht global skalieren.
Ihr Ratschlag: Was sollten Banken und Dienstleister der Finanzbranche – zum Beispiel DPS – jetzt konkret tun?
Vom Endszenario her denken: Die Instant-Payments-Welt kommt – ob in drei, fünf oder sieben Jahren. Wer heute Produkte und Prozesse baut, muss sie konsequent auf diese Zukunft ausrichten: Interoperabilität, 24/7-Betrieb, industrialisierte Compliance-Flows. Ein zentraler Hebel ist Standardisierung – mit ISO 20022 als gemeinsamer, semantischer Basis über die gesamte Kette. Dafür müssen Finanzinstitute ihre gewachsene Legacy IT planvoll modernisieren. Der Mainframe ist vielerorts weiterhin existent und wird auch in absehbarer Zukunft geschäftskritisch bleiben, auch wenn man heute nicht gerne über diese „überholte Technologie“ spricht und vielmehr den Eindruck bekommt, dass alle IT-Anwendungen und -Applikationen bereits „in der Cloud laufen“. Für diesen äußerst sensiblen Modernisierungsprozess leisten die Branchendienstleister wertvolle Arbeit – bei Migration, Standardisierung und stabilen Schnittstellen. Wichtig ist: heute beginnen, nicht morgen!
Vielen Dank für das Interview – und eine erfolgreiche Sibos in Frankfurt mit vielen spannenden Begegnungen!
Michael Steinbach ist Präsident des Frankfurt Payments Network (FPN) und verfügt über mehr als 40 Jahre Erfahrung im Zahlungsverkehr. Bis Februar 2023 war er Head of Global Business Line Financial Services der Worldline Group, CEO der equensWorldline SE und Mitglied des Group Executive Committee. Steinbach war zudem in führenden Branchengremien wie dem European Payments Council und der International Payments Framework Association aktiv. Seit Juli 2023 konzentriert er sich auf Non-Executive-Mandate sowie strategische Beratungsaufgaben.