T+1 auch in Europa: Neues Großprojekt für Banken

Von Ulrike Uitz und Florian Sager

Ende Mai dieses Jahres wurde in den USA, Kanada und Mexiko der Settlement-Zyklus im Wertpapiergeschäft verkürzt. Nun gilt T+1 statt bisher T+2 – die Frist für die Erfüllung von börslichen Geschäften mit Aktien, Corporate Bonds und Fondsanteilen halbiert sich auf einen Tag. Mit der Initiative der US-Börsenaufsicht SEC rückt das Thema T+1 auch für die europäischen Märkte wieder verstärkt in den Fokus. Wie können Banken ihre Systeme auf dieses Großprojekt vorbereiten? Und muss dabei schon eine mögliche Vorgabe T+0 mitgedacht werden? Mit diesem Beitrag wollen wir erste Antworten geben.

„Wertpapierhandel in den USA wird deutlich schneller als in Europa“, so das in der Überschrift gefasste Fazit des „Handelsblatts“ zur Verkürzung des Settlement-Zyklus jenseits des Atlantiks. Da hiesige Banken, Broker, und Verwahrer auch Depotbestände auf US-Lagerstellen halten – egal ob als Domestic-Verwahrung oder auf Wertpapierrechnung – mussten die Institute in den vergangenen Monaten ihre Systeme entsprechend anpassen. Wichtiger Aspekt dabei: aufgrund des Zeitunterschieds zu den USA ergibt sich für europäische Marktteilnehmer eine signifikante Verkürzung der Processing Time und damit ein erhöhtes Risikopotenzial für Strafen durch die SEC.

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung wird auch die Diskussion über die Einführung von T+1 für die europäischen Märkte intensiver werden. Seitens der marktführenden Unternehmen gibt es über die Association for Financial Markets in Europe (AFME) bereits seit März 2023 eine entsprechende Taskforce, die sich für eine koordinierte Einführung von T+1 in der EU, der Schweiz und UK einsetzt. Besonderer Fokus wird hier auf die Herausforderungen durch die fragmentierte Marktinfrastruktur in Europa gelegt.

Im Oktober vergangenen Jahres hat dann auch die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) eine Umfrage unter den Marktteilnehmern gestartet, um zu erfahren, welche Auswirkungen, Kosten und Nutzen die Verkürzung des Wertpapierabwicklungszyklus in der EU haben könnte und welche Einführungszeitraum von den Akteuren favorisiert wird.

T+1 könnte schon 2026 zur Pflicht werden

Aus den Antworten geht hervor, dass Banken, Börsen und Verwahrer nachdrücklich ein klares Signal von den Regelsetzern für einen Beginn der Arbeiten hin zu T+1 sowie eine klare Koordinierung zwischen den Regulierungsbehörden und der Branche fordern. Die Interessenvertreter machen zudem deutlich, dass ein proaktiver Ansatz erforderlich ist, um ihre eigenen Prozesse an den Übergang zu T+1 in anderen Ländern anzupassen. In einigen Antworten wurde vor möglichen Verstößen aufgrund der unterschiedlichen Abwicklungszyklen in der EU und Nordamerika gewarnt, die die ESMA derzeit prüft.

Die Aufsichtsbehörde will die eingegangenen Antworten nun weiter auswerten und parallel die Entwicklungen im Rahmen des Übergangs zu T+1 in den USA beobachten. Eine endgültige Bewertung plant die ESMA dann dem Europäischen Parlament und dem EU-Rat vor dem 17. Januar 2025 vorzulegen. Damit könnte T+1 für hiesige Finanzdienstleister schon 2026 zur Pflicht werden.

Leitfaden für das Großprojekt T+1

Es stellt sich für die Finanzinstitute die Frage, wie dieses regulatorische Großprojekt fachlich und technisch konzipiert werden kann, welche Stakeholder mit einzubeziehen sind und welche Ressourcen dafür eingeplant werden müssen.

Mit unserer breiten Kapitalmarkt-Expertise und langjährigen Projekterfahrung in Sachen Wertpapierabwicklung empfehlen wir folgende Herangehensweise:

 

  1. Kundenspezifische Analyse: Alle bankeigenen Settlement-Prozesse müssen im Detail betrachtet werden – u.a. die Abläufe zum Trade Funding.
  2. Identifizierung Optimierungspotenzial in house: Welche bankeigenen Abläufe müssen gestrafft oder verändert werden? Welche Stakeholder müssen dafür mit einbezogen werden? Es gilt Prozesse zu digitalisieren oder zumindest zu automatisieren.
  3. Analyse aller externen Faktoren: Überprüfung der gesamten Abwicklungskette – d.h. involvierte Handelssysteme (hier u.a. Handelszeiten), Clearing- und Abwicklungsplattformen, Datenverarbeitungssysteme und Kommunikationsnetze (hier u.a. Schnittstellen) und andere Intermediäre. Auch müssen alle bestehenden Verträge und SLAs mit Partnern mit Blick auf T+1 überprüft werden.
  4. Projektarbeit: Hier gilt es, die unter 2) beschriebenen Potenziale in Feinabstimmung den jeweiligen Stakeholdern zu heben. Absolut entscheidend ist zudem die Entwicklung eines gemeinsamen Testzyklus, welche erfahrungsgemäß einen hohen Organisationsaufwand bedeutet.

 

T+0 nur über verteilte Datenstrukturen (DLT) umsetzbar

Auf Branchentreffen wird indes mit T+0 schon eine deutlich radikalere Vorgabe diskutiert: Die Abwicklung von Wertpapiergeschäften in Echtzeit. Auf dem „Crypto and Digital Assets Summit“ der „Financial Times“ wurde jüngst T+0 als „heiliger Gral“ bezeichnet, der am Ende des immer weiter gekürzten Settlement-Zyklus stehe.

Aufgrund unserer langjährigen Erfahrung in Wertpapierprojekten kommen wir zur klaren Einschätzung, dass T+0 auf Basis der bestehenden Abwicklungssysteme nicht umgesetzt werden kann. Ein Real Time Settlement von Aktien, Corporate Bonds und Fondsanteilen ist bis dato nur über DLT-Protokolle wie der Blockchain, Ethereum oder dem bei Finanzdienstleistern in der Vergangenheit oftmals für Prototypen genutzten Corda denkbar. Hier sehen wir eine mögliche Entwicklung hin zu tokenisierten Wertpapieren, die parallel zur bestehenden Marktinfrastruktur ablaufen dürfte, diese aber langfristig aufgrund deutlicher Effizienzgewinne sogar ablösen könnte.

Unser Fazit: Mit T+1 steht für die Marktteilnehmer mittelfristig ein weiteres regulatorisches Großprojekt an, dass über eine rechtzeitig anzugehende Anpassung der (bankeigenen) Wertpapiersysteme gestemmt werden muss. DPS steht Ihnen dabei gerne beratend zur Seite.

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