Prokrastination im Zahlungsverkehr

Von Carsten Lange

„Und täglich grüßt das Murmeltier“ – die Analogie zu diesem Filmklassiker mit Bill Murray zieht das Branchenportal „Finextra“ mit Verweis auf eine Kaskade von Terminverschiebungen bei europäischen und internationalen Zahlungsverkehrsprojekten. Denn rund um ISO 20022 und TARGET2 sahen sich die Marktteilnehmer allein seit März 2020 mit 13 teils sehr kurzfristig verschobenen Deadlines konfrontiert.

Die jeweiligen Auslöser für den notwendigen Aufschub unterscheiden sich dabei von Fall zu Fall. Sie lassen sich aber oftmals auf ein Grundmuster zurückführen: technische und fachliche Herausforderungen der Migrationsprojekte werden unterschätzt und/oder aufgrund knapper bankeigener Ressourcen zu spät angegangen.

Effekt dieses Trends zur Prokrastination im Zahlungsverkehr: Banken, die sich fristgerecht etwa auf die T2/T2S-Konsolidierung oder die MT/MX-Migration bei SWIFT vorbereitet haben, müssen innerhalb kurzer Zeit sicherstellen, dass keine neue Funktion in ihren Systemen, die im geplanten Release integriert ist, zum ursprünglich vorgesehenen Zeitpunkt produktiv geht. Das führt wiederum zu einem erhöhten Testaufwand.

Es verwundert daher nicht, dass einige Branchenakteure mit Unmut auf die kurzfristige Verschiebung von über lange Zeit vorbereiteten Zahlungsverkehrsprojekten reagieren. So titelte die „Börsen-Zeitung“ jüngst: „Verschobene ISO20022-Migration erzürnt Marktteilnehmer“. Hintergrund: Der European Payments Council (EPC) sah sich nur drei Wochen vor der geplanten ISO 20022-Versionsumstellung bei den SEPA-Zahlungsverkehrsverfahren gezwungen, diese Migration um vier Monate aufzuschieben.

Nicht erst nach diesem Ereignis wird von Payment Service Providern (PSP) die Frage an uns herangetragen, wie man die eigenen Systeme auf diese kurzfristigen Terminänderungen vorbereiten kann. Um es vorwegzusagen: hier gibt es keinen One-size-fits-all-Ansatz. Aufgrund unserer langjährigen Erfahrung mit Projekten im Zahlungsverkehr haben wir jedoch drei Strategien identifiziert, mit denen Finanzinstitute schwer vorhersehbare Aufwände reduzieren können:

 

  1. Intelligentes Release-Management: Wenn das Zahlungsverkehrssystem einer Bank die Optionen bietet, Einzel-Releases auszugeben, können ggf. kurzfristige zusätzliche Versions-Updates eingeplant werden. Erfahrungsgemäß ergibt sich hier ein hoher individueller Beratungsbedarf.
  2. Passender Komponenten-Zuschnitt: Abhängig von der Systemarchitektur eines PSP können neue Funktionen in separate Komponenten ausgelagert werden, so dass es ein Modul für Alt- und Neuversion gibt. Somit kann der Testaufwand u.U. deutlich reduziert werden.
  3. Integration von Switch-Lösungen: Hier verankert der PSP in den Verarbeitungssträngen seiner Systeme Prüfpunkte, um ggf. zwischen unterschiedlichen regulatorischen Vorgaben switchen zu können. Nachteil dieser Lösung: die Schalter müssen absehbar ausgebaut werden, was Regressionstests nach sich zieht.

 

Als grundlegende Maßgabe lässt sich festhalten: Fallback-Optionen sollten mittlerweile immer als fester Bestandteil eines Payment-Projekts mitgedacht werden. Denn so viel ist sicher: Der nächste Terminaufschub in einem Zahlungsverkehrsprojekt wird kommen.

DPS steht Banken, Sparkassen und anderen Zahlungsdienstleistern hier bei der Entwicklung von passgenauen Strategien zur Seite.

Übrigens: Auf unserer Infoseite 20022.info informieren wir Sie immer aktuell über Neuigkeiten beim Thema ISO 20022. Dort finden Sie u.a. auch oben erwähnte Veröffentlichungen.

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